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Helge Döhring:
 Zwischen Revolution und Reform
 
 Die Stellung der Freien Arbeiter Union Deutschlands FAUD zum 
Tarifvertragssystem
 
 Die „Freie Vereinigung deutscher Gewerkschaften“ (FVdG), gegründet 1897, 
unterschied sich von den sozialdemokratisch dominierten Zentralverbänden u.a. 
dadurch, daß sie nicht nur grundsätzlich föderalistisch organisiert war 
(Selbständigkeit der einzelnen Ortsvereine), sondern auch dadurch, daß sie den 
revolutionären Sturz des kapitalistischen Wirtschaftssystems anstrebte, statt 
Tarifpolitik zu betreiben. Statt Berufsinteressen sollten mittels direkter 
Aktionen Klasseninteressen vertreten werden. Statt Sicherung des durch 
Arbeitskämpfe erreichten durch Tarifverträge, bevorzugten die Ortsvereine der 
FVdG weitere Angriffskämpfe in den Betrieben bis hin zum Generalstreik. (1)
 
 Die Prinzipien der FAUD
 
 Aus der FVdG ging nach dem 1. Weltkrieg unter tatkräftiger Mithilfe Rudolf 
Rockers im Jahre 1919 die Freie Arbeiter Union Deutschlands (FAUD) hervor und 
erlangte durch die ausgearbeitete Prinzipienerklärung ein deutliches 
anarcho-syndikalistisches Profil. Das beinhaltete auch die Ablehnung des 
Tarifvertragssystems, welches im Dezember vom Rat der Volksbeauftragten als 
rechtsschöpferischer Faktor anerkannt worden war. Als Garant dieses 
Rechtsverhältnisses fungierte (manifestiert in der Weimarer Reichsverfassung) 
der Staat, welchen die anarcho-syndikalistischen GewerkschafterInnen im 
Gegensatz zu den Zentralverbänden grundsätzlich ablehnten.
 
 Die Konsequenzen wurden im „Syndikalist“ (Organ der FAUD) so beschrieben:
 
 „1. Können die Arbeiter unter den Bedingungen des Tarifsystems nicht mehr 
unmittelbar für ihre Interessen kämpfen (Friedenspflicht, d.h. Burgfrieden im 
Betrieb, Einschränkung des Kampfmittels der „Direkten Aktion“)
 
 2. sind sie gezwungen, den Kampf zu delegieren und können dessen Ergebnisse 
nicht mehr kontrollieren (Zentralisierung)
 
 3. sind die Arbeiter in der Führung ihrer Arbeitskämpfe nicht mehr flexibel, 
d.h. sie können sich im Kampf um den Preis ihrer Arbeitskraft nicht mehr den je 
spezifisch regionalen, innerhalb der einzelnen Industriebranchen 
unterschiedlichen und konjunkturellen Bedingungen anpassen. (Zentralisierung)
 
 4. bedeutet das Tarifwesen „Lähmung jeder Aktionsfreudigkeit“, besonders durch 
das Schlichtungsrecht und die Friedenspflicht, sowie durch die finanzielle 
Organisationshaftung im Organisationsvertrag.“ (2)
 
 Auf dem 12. Kongress der Freien Vereinigung deutscher Gewerkschaften im Dezember 
1919 wurde bei den Unterschieden zu den Zentralverbänden festgehalten:
 
 „Die Zentralverbände sind Vertretungskörper für die Tarifvertragspolitik, die 
Syndikalisten bekämpfen die Tarifverträge.“ (3)
 
 Kurswechsel
 
 Infolge der Stabilisierung der Klassenlage in der Weimarer Republik u.a. durch 
die Verabschiedung des Betriebsverfassungsgesetzes von 1920, der Inflation von 
1923 und schließlich durch die Einführung der Kranken-, Invaliden- und 
Arbeitslosenversicherung, sowie der schwindenden Zuversicht auf eine baldige 
revolutionäre Veränderung des Staats- und Wirtschaftssystems, sanken die 
Mitgliederzahlen der FAUD Mitte der zwanziger Jahre auf weniger als die Hälfte 
und bis 1930 auf weniger als ein Zehntel der unmittelbaren Nachkriegszeit. Die 
FAUD verfügte so bis auf wenige Ausnahmen über keine relevante Massenbasis in 
den Betrieben mehr.
 
 Demgegenüber wurden die mitgliederstarken ADGB-Gewerkschaften erfolgreich in das 
kapitalistische Wirtschaftssystem und das politische System integriert, die FAUD 
trotz ihrer ständigen Appelle gegen die „Wirtschaftsdemokratie“ marginalisiert. 
Die überwältigende Mehrheit der Arbeiter entschied sich für den generellen 
Betriebsfrieden und gegen die Überwindung der kapitalistischen Produktionsweise.
 
 Befanden sich die mitgliederstärksten FAUD-Verbände an Rhein und Ruhr schon in 
den vorangegangenen Jahren in Opposition zur reichsweiten Theorie und Praxis, so 
begann von dort ausgehend eine Reflexion über den Grundsatz der Ablehnung von 
Tarifverträgen einzusetzen. Solange im Gegensatz zu der rapide sinkenden 
Mitgliederzahl perspektivisch an einen Aufschwung der Bewegung nicht zu denken 
sei, wollten einige Ortsvereine der FAUD wenigstens einen „Waffenstillstand“ mit 
den Kapitalisten Vorort aushandeln.
 
 So geschah es bei den Berliner Fliesenlegern, welche einen festen Stundenlohn 
aushandelten und „viele Mitglieder“ gewannen mit der Aussicht, diese „zu 
Syndikalisten (zu) erziehen“. (4)
 
 Auch Augustin Souchy als Angehöriger der prinzipientreuen Geschäftskommission 
der FAUD in Berlin gab 1928 der veränderten Lage in Deutschland nach und 
befürwortete in einem Beitrag in „Die Internationale“ (Theorieorgan der FAUD) 
Tarifverträge, wenn sie möglichst kurzfristig angelegt seien, um den 
Aktionsspielraum noch so groß wie möglich zu halten. Tarifverträge seien bloßer 
Ausdruck vorangehender Betriebskämpfe. Die kämpfenden Arbeiter hätten, gerade in 
Anbetracht des reichsweiten allgemeinen Rückgangs revolutionärer Tätigkeiten in 
den Betrieben, ein Recht darauf, ihre Errungenschaften auch rechtlich 
abzusichern. Reformen wurden ab Mitte der zwanziger Jahre als legitimes Mittel 
auf dem Weg zur revolutionären Veränderung angesehen, wenn die Anwendung 
syndikalistischer Kampfformen keine weiteren Erfolge versprächen. (5)
 
 1929 wurden seitens weiterer FAUD Ortsvereine Tarifverträge abgeschlossen, so in 
Groß-Berlin (Manteltarifvertrag) bei den Kistenmachern oder bei den 
Fliesenlegern an Rhein und Ruhr, worüber der Düsseldorfer Karl Windhoff 
berichten konnte:
 
 „Wenn wir die Mehrheit einer Berufsgruppe hinter uns haben, dann würden wir ja 
geradezu unsere Pflicht versäumen, wenn wir unsern Einfluß nicht bei der 
Tarifgestaltung zur Geltung bringen. Wir haben in verschiedenen rheinischen 
Orten Löhne erreicht, die um 30 bis 35 % höher sind als in den übrigen Orten. 
Ich frage: ist das ein Erfolg oder nicht? Wir haben erreicht, daß wir darüber 
bestimmen, wer eingestellt und wer entlassen wird. Ist das ein Erfolg oder 
nicht? Wir haben die Zentralgewerkschaft genötigt, unsere Abmachungen mit zu 
unterschreiben. Wir haben die staatlichen Schlichter ausgeschaltet. Wir haben 
die schriftliche Bestimmung durchgesetzt: ‚Für alle Streitigkeiten sind die 
amtlichen und staatlichen Schlichtungsstellen auszuschalten, soweit dazu nicht 
ein gesetzlicher Zwang besteht.’ Ich frage: ist das ein Erfolg oder nicht? Wir 
haben in verschiedenen Verträgen durchgesetzt, daß nur Mitglieder unserer 
Fliesenleger-Organisation eingestellt werden. Wir arbeiten täglich nur 7 ½ 
Stunden und am Sonnabend Nachmittag gar nicht. Bei schlechter Konjunktur 
bestimmen wir, daß die Arbeitszeit weiter so verkürzt wird, daß keiner entlassen 
zu werden braucht. In der Zeit der jetzigen Massenarbeitslosigkeit ist die 
radikale Verkürzung der Arbeitszeit eine Notwendigkeit, für die alle Arbeiter 
und auch viele kleinbürgerliche Schichten Verständnis haben. Wir arbeiten jetzt 
an der Durchsetzung der fünftägigen Arbeitswoche.“ (6)
 
 Die Konkurrenzsituation zu den Zentralgewerkschaften war eine existenzielle: Die 
ADGB-Gewerkschaften machten, wie Windhoff anmerkte, auch innerbetrieblich in 
Kollaboration mit den Unternehmern gegen anarcho-syndikalistische Aktivitäten 
und Kollegen mobil, was zu zahlreichen Entlassungen von FAUD-Mitgliedern führte 
und damit zum drohenden Verlust der verbliebenen betrieblichen Basis der FAUD 
auch in deren Hochburgen. Hinzu kam der Alleinvertretungsanspruch der 
ADGB-Gewerkschaften auch im Tarifrecht, womit von revolutionären Gewerkschaften 
abgeschlossene Tarifvereinbarungen mit dem Unternehmertum gesetzlich für 
ungültig erklärt werden konnten.
 
 Fritz Linow, Arbeitsrechtsexperte der FAUD, schloß sich der Forderung nach einem 
anderen Umgang in der Tarifvertragsfrage an: „Ich bin der Meinung, daß der 
Anarcho-Syndikalismus nur existenzberechtigt ist, wenn er in der Lage ist, 
praktisch die Gesetze des Lohnkampfes – und dazu gehört auch die Bestimmung der 
Lohn- und Arbeitsbedingungen – richtungsgebend zu beeinflussen. Verfehlt ist der 
Einwurf, daß wir Opportunisten seien, wenn wir die Interessenvertretung pflegen. 
Ich bin der Meinung, daß der Anarchismus überhaupt erst dann lebendige Gestalt 
annimmt, wenn seine Grundsätze im Klassenkampf der Arbeiter gegen die 
kapitalistische Gesellschaftsordnung auf ihre Stichhaltigkeit untersucht werden. 
Kann der Anarchismus dort mit dem Kapitalismus seine Klinge kreuzen, dann ist er 
innerhalb der Gewerkschaftsbewegung gesund. Es kommt nur darauf an, Mittel und 
Wege zu suchen, breitere Kreise der Arbeiterschaft davon zu überzeugen, daß man 
nicht abwarten soll, was der große Zentralverband tut, sondern daß man aus 
eigenem (fehlt im Original, Anm. d. Autoren) die Lohn- und Arbeitsbedingungen 
gestalten muß. Es kommt darauf an, eine revolutionäre Aktionsgemeinschaft zu 
besitzen.“ (7)
 
 Ebenso äußerte sich Helmut Rüdiger als Mitglied der Geschäftskommission: „(...) 
bekenne ich mich zur Teilnahme an Tarifverträgen, zum Kampf für das 
Vertretungsrecht bei den Arbeitsgerichten usw.“ (8)
 
 Dennoch verbleiben andere Ortsvereine in strenger Opposition, darunter 
auffallend viele, welche gar nicht (mehr) in Betrieben verankert waren und 
außerhalb der Arbeiterbewegung standen, wie z.B. die FAUD in Kassel. In solchen 
Gruppen entfiel die Motivation, innerhalb der Organisation verbliebene 
Mitstreiter durch das Abschließen von Tarifverträgen an die FAUD zu binden. So 
wiederholten Mitglieder der Kassler FAUD noch 1928 im „Syndikalist“ die eingangs 
angeführten Argumente gegen die Tarifpolitik mit der aus ihrer Sicht 
folgerichtigen Ergänzung, daß Ortsvereine der FAUD, welche Tarifverträge 
abschließen, sich außerhalb der Organisation positionieren würden. (9)
 
 Beschluß Reichsarbeitsgericht
 
 In zweiter Instanz wurde der FAUD die Tariffähigkeit mit folgender Begründung 
vom Reichsarbeitsgericht (RAG-Leipzig) abgesprochen: Eine Organisation, deren 
Bestrebung dahin geht, die Arbeiter zum Klassenkampf im Wege der direkten Aktion 
zu veranlassen, kann nicht gleichzeitig Bindungen eingehen, wie sie der Abschluß 
von, wenn auch nur kurzfristigen, Tarifverträgen zur Folge hat. Die der Freien 
Arbeiter Union Deutschlands (FAUD) angeschlossenen Verbände, die das geltende 
Tarif- und Schlichtungswesen nicht als für sie verbindlich anerkennen, sind 
daher nicht tariffähig. (10)
 
 Schon das Landesarbeitsgericht (LAG) Duisburg hat aus denselben Gründen unter 
Berufung auf die Prinzipienerklärung der FAUD von 1919 und der programmatischen 
Grundlage der FAUD (laut Beschluß vom 16. Kongreß 1927) die Tariffähigkeit der 
FAUD als nicht gegeben angesehen. Die Kompromißstrategie der FAUD wurde 
durchschaut. Denn obwohl die „Tariffähigkeit als satzungsmäßiges Ziel der 
Vereinigung“ (FAUD) vom LAG in den Statuten der FAUD ausgemacht worden war, daß 
aber „trotz des Wortlauts der Satzung der wirkliche Zweck der FAUD nicht, auch 
nicht nebenher, auf Abschluß ernstgemeinter Tarifverträge gerichtet ist.“ Das 
Reichsarbeitsgericht formulierte diese Einschätzung so: „Diesem Abschlusse 
einzelner Tarifverträge können Erwägungen rein taktischer Natur zugrunde liegen, 
die es haben angezeigt erscheinen lassen, die Durchführung der Grundsätze der 
Prinzipienerklärung auf Zeit zurückzustellen. Das Landesarbeitsgericht hat sich 
deshalb mit Recht auf den Standpunkt gestellt, es könne aus dem Abschluß 
einzelner Tarifverträge noch nicht ohne weiteres gefolgert werden, daß nun auch 
eine grundsätzliche Bereitschaft bestehe, die durch die Gesetzgebung getroffene 
Regelung des Tarifvertrags- und Schlichtungswesens als verbindlich anzuerkennen. 
(...) Solange daher die der FAUD angeschlossenen Vereinigungen sich zu den 
Grundsätzen bekennen, wie sie vorstehend dargelegt sind, muß auch damit 
gerechnet werden, daß die diesen Vereinigungen angehörenden Arbeitnehmer ohne 
Rücksicht auf bestehende Tarifverträge diesen mit der Bindung an Tarifverträge 
nicht vereinbarten Grundsätzen entsprechend handeln. (...) muß der 
Tarifkontrahent, der die im Tarifvertrag bestimmten besonderen Verpflichtungen 
und die Friedenspflicht übernimmt, dem Vertragsgegner eine Gewähr der eigenen 
Tariftreue und der Einflußnahme auf die Mitglieder im Sinne des Vertrages 
bieten.(...) Anmerkung (...) Zu einer solchen Einflußnahme ist er auch gar nicht 
in der Lage, da die Mitglieder nicht verpflichtet sind, einer derartigen 
Einwirkung Folge zu geben.“ (11)
 
 Urteilskritik der FAUD
 
 Fritz Linow (FAUD) kritisierte in einem Beitrag in „Die Internationale“ die 
mangelnde Definition des Begriffs „direkte Aktion“, auf welchen sich das 
Gerichtsurteil in jeder Beziehung stützte und den Mangel an Beweisen für die 
unterstellte Absicht, die FAUD wolle Tarifverträge brechen. Die Ablehnung des 
Schlichtungsverfahrens durch die FAUD sei völlig legitim, da Schlichtungen immer 
auf Freiwilligkeit beruhen würden. Und Freiwilligkeit könne „nicht durch einen 
einfachen Gerichtsbeschluß zu einem Zwang gestempelt werden.“ Der Abschluß von 
Tarifverträgen auf lokaler Ebene beweise die Tariffähigkeit eher, als daß sie 
Gründe böten, die Tariffähigkeit nicht anzuerkennen, aufgrund angeblicher und 
nicht definierter Widersprüche. Er wies ausdrücklich darauf hin, daß der 
„Tarifvertrag (...) immer nur eine taktische Maßnahme (ist), denn er entspring(e) 
keinem Prinzip, sondern den Verhältnissen.“ (12)
 
 Das RAG wurde darauf hingewiesen, daß auch „tariffähige“ Gewerkschaften im 
Arbeitskampf Mittel der direkten Aktion anwenden – ohne Erfolg. Demgegenüber 
gelang es der Industrieföderation der Bauarbeiter (FAUD) nach Revision im August 
1929 von Arbeitsgerichten als „gewerkschaftliche Vereinigung“ anerkannt zu 
werden. Diesen Trend gälte es zu verstärken, um weiteren Mitgliederschwund zu 
verhindern. (13) In den Folgejahren gelang es der FAUD weder tariflich, noch 
außertariflich, verstärkt in den Betrieben Fuß zu fassen. Nicht wenige 
Ortsvereine beteiligten sich sogar an Betriebsratswahlen, in der Hoffnung, den 
Mitgliederrückgang aufzuhalten. Die Marginalisierung in der Mitgliederstärke 
schritt jedoch voran und erreichte 1932 einen Tiefstand von Reichsweit etwa 
4.300 Mitgliedern, bis die FAUD 1933 verboten wurde.
 
 Als Folgen des negativen Entscheids des Reichsarbeitsgerichtes vermutete Fritz 
Linow: „Die FAUD ist leider eine Minderheitsbewegung, aber sie wird die Arbeiter 
nur in ihren Reihen halten, wenn sie ihre Interessen vertreten kann. Wir müssen 
damit rechnen, daß die Presse unserer Gegner die Leipziger Entscheidung des 
Reichsarbeitsgerichts nach Kräften ausschlachten wird. Dann werden 
beispielsweise die Bauarbeiter sich sagen, daß sie als Mitglieder der FAUD nicht 
einmal 3 Mark Werkzeug- oder Laufgeld einklagen können, weil es nicht lohnen 
würde, wenn sie deswegen selbst zum Arbeitsgericht laufen müssen. Neben diesen 
schädlichen Wirkungen kann die Leipziger Entscheidung auch sehr unangenehme 
Nachwirkungen für die Arbeitsnachweise der Bauarbeiter, Fliesenleger und Töpfer 
haben. Diese Nachweise können auf Grund der Leipziger Entscheidung eventuell 
aufgelöst werden.“ (14)
 
 Dagegen betonte der Föderationsleiter der Bauarbeiter (Markow) aus 
branchenspezifischer Sicht: „Der Beschluß des Reichsarbeitsgerichts beweist die 
Notwendigkeit der Industrieföderationen besser als es die beste Rede tun könnte. 
Wir haben eine solche Entscheidung vorausgesehen und haben deshalb den 
Industrieföderationen angeraten, rechtzeitig vorher ihre Anerkennung als 
tariffähige Vereinigungen durchzusetzen. Wenn der 18. Kongreß dem Aufbau der 
Industrieföderationen die richtige Beachtung schenkt, dann werden die Folgen der 
Leipziger Entscheidung für uns nicht so schwarz sein wie sie Linow geschildert 
hat. Die Föderation der Berliner Bauberufe hat sich ein eigenes 
Organisationsstatut geschaffen, das ihr die Anerkennung vor den Arbeitsgerichten 
verschafft hat. Derselbe Richter, der den Vorsitzenden der 
Provinzialarbeitsbörse als Vertreter abwies, mußte den Vertreter der Föderation 
der Berliner Bauberufe anerkennen, weil das Organisationsstatut den Mitgliedern 
den Rechtsschutz zuspricht und weil aus den Statuten zu ersehen ist, daß für die 
Föderation die FAUD eine Spitzenorganisation ist ähnlich wie der ADGB für die 
Zentralverbände. Die Bauberufe in Groß-Duisburg haben das Berliner Statut 
übernommen und damit auch den Erfolg erzielt, daß nunmehr ihre Vertreter 
anerkannt wurden, während vorher die von der FAUD gestellten Vertreter 
abgewiesen wurden. Bei dieser Sachlage wird für die gegen die 
Industrieföderationen gerichteten Anträge keiner eintreten können, der einen 
weiteren Mitgliederrückgang verhindern will.“ (15)
 
 Letzte Entscheidung
 
 Der 19. und damit letzte Reichskongreß der FAUD zu Ostern 1932 nahm 
folgendermaßen Stellung zur Tarifpolitik:
 
 „Die FAUD sieht in den Kollektivverträgen eine höhere Form der Regelung der 
Lohn- und Arbeitsbedingungen als im Individualvertrag. Sie anerkennt die 
kollektive Bestimmung über die Arbeitslöhne und Arbeitsbedingungen.
 
 Sie unterstreicht das Zusammenwirken der Arbeiter, um den Arbeitsverhältnissen 
ein einheitlicheres Gepräge zu geben. Aus diesem Grunde schließt sie dort, wo 
die Bedingungen gegeben sind, Kollektivverträge ab. Sie sieht in solchen 
Abschlüssen eine unumgängliche Pflicht, um die Lohngestaltung und die Gestaltung 
der Arbeitsbedingungen dem Einfluß der reformistischen Gegner zu entziehen. Sie 
wendet sich aber gegen die sogenannte Tarifvertragspolitik, weil diese nicht 
nach dem Inhalt und nach der Interessenberücksichtigung der Arbeiter fragt, 
sondern dem Tarifvertrag an sich zum Ziel hat. Die FAUD ist der Meinung, daß die 
Arbeiter um den Inhalt ihrer Kollektivverträge kämpfen müssen. Nicht auf den 
Tarifvertrag kommt es an, sondern auf den Inhalt desselben.
 
 Bei allen Kollektivvertragsabschlüssen ist deshalb oberster Grundsatz aller 
abschließenden Ortsgruppen der FAUD, daß diese Verträge sich von denen der 
reformistischen Gegner, sowohl der Form als auch dem Inhalt nach unterscheiden 
müssen. Dies gilt besonders für diejenigen Teile der Kollektivverträge, die auf 
die Schlichtung von Streitigkeiten Bezug nehmen. In allen Fällen ist um eine 
Ausschaltung der staatlichen Schlichtungseinrichtungen für Arbeitsstreitigkeiten 
zu drängen. Die Lauffristen der Kollektivverträge sind unbefristet zu gestalten 
und oder möglichst kurzfristig zu halten. Bei allen Kündigungsfristen müssen auf 
alle Fälle lange Fristen abgelehnt und die Kündigungstermine grundsätzlich in 
solche Zeiten verlegt werden, wo die wirtschaftliche Kraft der Arbeiter 
ausreicht, Änderungen in ihrem Interesse durchzusetzen.
 
 Wo die Voraussetzungen gegeben sind, schließt die FAUD auch 
Betriebsvereinbarungen ab. Dabei ist auf die Laufzeiten der sonstigen Verträge 
in anderen Betrieben oder im Gewerbe oder in der Industrie dergestalt Rücksicht 
zu nehmen, daß diese Vereinbarungen nicht über die Lauffristen der übrigen 
Verträge hinausreichen, um zu verhindern, daß die tariflich gebundenen Arbeiter 
bei Arbeitseinstellungen der übrigen Betriebe zu Streikbrechern werden.“ (16)
 
 Zwei regionale Beispiele:
 
 „Tarifverträge und die Beteiligung an Betriebsratswahlen wurden von der 
Sömmerdaer Freie Vereinigung aller Berufe (FVaB) von Anfang an akzeptiert. In 
dieser Beziehung führten die Sömmerdaer ArbeiterInnen nahtlos die Praktiken der 
gewerkschaftlichen Auseinandersetzung weiter, die sie aus ihrer Zeit in den 
freien,- reformistischen Gewerkschaften gewohnt waren. Es herrschte die Meinung 
vor, daß Tarife und Betriebsräte ‚besser als nichts’ seien.“ (17)
 
 In Radebeul bei Dresden streikten noch im November 1932 die Maschinenformer der 
Gebler AG (Eisenguß- und Emaillierwerk) u.a. gegen Lohnkürzungen und für bessere 
Akkordsätze. Dabei war ein Teil des Radebeuler FAUD- Ortsvereins, dessen 
Vorsitzender Arno Scheffler Mitglied der Verhandlungskommission war, welche mit 
der Betriebsleitung die künftigen Arbeitsbedingungen verhandelte und dabei für 
die Arbeiterschaft sehr erfolgreich war. (18)
 
 (1) Vgl.: Protokoll über die Verhandlungen vom 12. Kongreß der Freien 
Vereinigung deutscher Gewerkschaften, S. 80 f.
 
 (2) „Der Syndikalist“, 1. Jg. (1919), Nr. 8. Die Haltung der FAUD gegenüber der 
Schlichtungsordnung ist formuliert in: „Der Syndikalist“, 4. Jg. (1922), Nr. 10, 
Titelseite „Nieder mit der ‚Schlichtungsordnung’!“.
 
 (3) Protokoll über die Verhandlungen vom 12. Kongreß der Freien Vereinigung 
deutscher Gewerkschaften..., S. 81.
 
 (4) Protokoll über die Verhandlungen vom 16. Kongress der Freien Arbeiter-Union 
Deutschlands (A.-S.)..., S. 44.
 
 (5) Vgl.: „Die Internationale“, 1. Jg. (1928), Nr. 12.
 
 (6) Protokoll über die Verhandlungen des 18. Kongresses der FAUD..., S. 65.
 
 (7) Ebd., S. 71. Zu Kollaboration von Zentralverbändlern mit Unternehmern kam es 
allgemein gegen revolutionäre Organisationen, so auch gegen die Allgemeine 
Arbeiter Union Deutschlands (AAU). Um einen Unternehmer zu zwingen, die 
Mitglieder der AAU zu entlassen, gingen Zentralverbändler einer Großbäckerei in 
einen zweistündigen Streik, bis der Unternehmer nachgab, wogegen die Entlassenen 
vergebens den Rechtsweg bis hin zum Reichsgericht einschlugen, vgl.: 
Reichsarbeitsblatt, Nr. 26 (1925), S. 286-288.
 
 (8) Ebd., S. 77.
 
 (9) Vgl.: Jürgen Mümken: Anarchosyndikalismus an der Fulda, S. 39. Der Kasseler 
Willi Paul erklärte dazu: “...Der Arbeiter wird dadurch unselbständig gemacht, 
seines Klassendenkens beraubt, nicht zum Denken erzogen, er sucht nicht mehr 
nach neuen Mitteln und Methoden, um den Klassenkampf erfolgreich führen zu 
können, und er wird bar jeder Initiative, mutlos, der eigenen Kraft nicht mehr 
trauend, er wird degradiert zur Null, wartet auf seinen Führer, welche am 
Verhandlungstisch bessere Lebensmöglichkeiten für ihn schaffen soll“, ebd. Die 
zentrale Diskussion im „Syndikalist“ wurde in der zweiten Jahreshälfte 1928 
geführt, wo Befürworter und Gegner sich noch die Waage hielten.
 
 (10) Vgl.: Dersch Dr., Hermann u.a. (Hrsg.): Entscheidungen des 
Reichsarbeitsgerichts und der Landesarbeitsgerichte, Bd. 9.
 
 (11) Ebd.
 
 (12) „Die Internationale“, 3. Jg. (1930), Nr. 9/ 10. Auch der Jurist Karl Korsch 
nahm sich der Frage um die Tariffähigkeit revolutionärer/syndikalistischer 
Organisationen in einer eigenen Schrift an, vgl.: Korsch, Karl, Dr. jur.: Um die 
Tariffähigkeit. Eine Untersuchung über die heutigen Entwicklungstendenzen der 
Gewerkschaftsbewegung, S. 13 ff. Dagegen sprach sich Dr. Wilhelm Herschel, 
Professor am Staatlichen Berufspädagogischen Institut Köln, im Sinne des RAG 
gegen die Tariffähigkeit revolutionärer/syndikalistischer Organisationen aus, 
vgl: Dr. Wilhelm Herschel: Tariffähigkeit und Tarifmacht. Eine Skizze, S. 35. 
Ebenso Prof. Dr. P. Oertmann (Göttingen) in: Juristische Wochenschrift, 60. Jg. 
(1931), Heft 19, S. 1293 ff.
 
 (13) zur kompletten Auseinandersetzung in der FAUD siehe Ergänzungsband.
 
 (14) Protokoll über die Verhandlungen des 18. Kongresses der FAUD..., S. 70 f.
 
 (15) Ebd., S. 71.
 
 (16) „Der Syndikalist“, 13. Jg. (1932), Nr. 13.
 
 (17) Frank Havers: Die Freie Arbeiter- Union Deutschlands in Sömmerda/Thüringen 
von 1919 bis 1933, Bochum 1997.
 
 (18) Vgl.: Jenko, Jürgen: Die anarcho-syndikalistische Bewegung (FAUD) in 
Dresden, S. 76 f.
 
 Aus. FAU-Bremen (Hrsg.): Syndikalismus – Geschichte und Perspektiven, Bremen 
2005
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